Direkt zum Seiteninhalt springen

Senegal: Boomender Export von Erdnüssen nach China birgt langfristige Risiken

Megatrends Spotlight 27, 25.07.2023

Senegalesische Erdnussexporte nach China bringen heimischen Landwirt*innen erhebliche Vorteile. Gleichzeitig wirken sie sich langfristig auf den lokalen Verbrauch, die verarbeitende Industrie und die zukünftige Produktion aus, erklärt Daouda Cissé in diesem Megatrends Afrika Spotlight.

Der Senegal gehört zu den weltweit führenden Exporteuren von Erdnüssen. Im Jahr 2021 war der Senegal mit einem Gesamtexportwert von 285 Mio. USD – das sind 6,85% der weltweiten Erdnussexporte – nach dem Sudan der zweitgrößte Exporteur Afrikas. Mit einem Anteil von 5,4% an den Gesamtexporten des Landes waren sie Senegals fünftwichtigstes Exportprodukt. Allein China importierte im Jahr 2020 mehr als 323.000 Tonnen Erdnüsse aus dem Senegal – über 90% der senegalesischen Erdnussexporte. Angesichts dieser Mengen liegt auf der Hand, welche beträchtlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten sich Landwirt*innen, Händler*innen und dem Staat durch den Anbau und Export von Erdnüssen eröffnen. Erdnüsse gelten als das Rückgrat der Wirtschaft des Senegals, da die Mehrheit der Menschen auf dem Land auf Erdnüsse als Lebensgrundlage angewiesen ist, und zwar sowohl für die Subsistenzproduktion als auch für Export, Verarbeitung und Einkommensgenerierung.

Auf den ersten Blick scheint es, als könnten die enormen Ausfuhrmengen nach China die Zahlungsbilanz Senegals verbessern und zu Wachstum und Beschäftigung im Land beitragen. Allerdings ist diese Strategie mit mehreren gravierenden Nebenwirkungen verbunden. Die große Auslandsnachfrage nach rohen Nüssen und die daraus resultierenden Preissteigerungen benachteiligen vor allem die lokale Verarbeitungsindustrie. Infolgedessen konkurrieren einheimische und internationale Käufer*innen, insbesondere aus China, um die Produkte, wobei die Chines*innen die Senegales*innen systematisch überbieten.

Den verarbeitenden Betrieben (hauptsächlich kleine und mittlere Unternehmen) stehen nur begrenzte Mengen an Erdnüssen zur Verfügung, die sie zu Produkten wie Öl und Erdnussbutter verarbeiten können. Produktionskapazitäten, die zur lokalen Wertschöpfung beitragen könnten, bleiben damit ungenutzt, was Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen im Weg steht – Umstände, die bereits in der Vergangenheit zu Exportbeschränkungen geführt haben.

Neben den natürlichen Gegebenheiten, die die verfügbare Gesamtmenge an Erdnüssen begrenzen, stehen mehrere Aspekte einer nachhaltigen Ausrichtung des Sektors im Wege: (1) der begrenzte Einsatz moderner Bewässerungstechnologien, wodurch Landwirt*innen zur Sicherung der Nahrungsmittelproduktion stark abhängig von Regenfällen sind, (2) die Auswirkungen des Klimawandels (d.h. zunehmende Dürren und Überschwemmungen) und (3) die zunehmende Verknappung von Ackerland, die durch die rasante Urbanisierung zusätzlich verschärft wird.

Nur die Konsolidierung der inländischen Produktion – sowohl für den Verbrauch als auch für den Export erdnussbasierter Produkte – kann verhindern, dass der zunehmende Export roher Erdnüsse langfristig negative wirtschaftliche Folgen für den Sektor mit sich bringt. Werden rohe Erdnüsse vornehmlich für die einheimische Verarbeitungsindustrie vorgehalten, kann dies die Diversifizierung der Erdnussexporte beleben und Mehrwerte in der lokalen Nahrungsmittelproduktion freisetzen. Der Senegal muss politisch umdenken, um die Risiken aufzufangen, die mit dem ungebremsten Export von Erdnüssen zur Befriedigung der weltweiten Nachfrage – und insbesondere des unstillbaren Appetits Chinas – verbunden sind.

Die Entwicklung des Erdnusshandels im Senegal: Ein schwankendes Geschäft

Der Erdnusshandel ist im Senegal seit jeher ein wichtiger Wirtschaftszweig. Der Erdnussanbau und Handel mit Erdnüssen sind für unzählige Landwirt*innen im Erdnussbecken die wichtigsten Einnahmequellen. Außerdem trägt die Kulturpflanze maßgeblich zum Lebensunterhalt eines großen Teils der senegalesischen Bevölkerung bei, vor allem in ländlichen Gebieten. Auch sind Erdnüsse nach wie vor von zentraler Bedeutung für die Armutsbekämpfung. Mehr als die Hälfte aller Haushalte, die in extremer Armut leben, bauen diese Pflanze an. Die übermäßigen Erdnussexporte bergen die Gefahr, dass Landwirt*innen nicht mehr genügend Vorräte für Saatgut und den eigenen Bedarf anlegen können, was zu Engpässen auf dem heimischen Markt und in der verarbeitenden Industrie führen würde.

Veränderte Konsumgewohnheiten

In der Vergangenheit kontrollierten libanesische Käufer*innen und Händler*innen einen beträchtlichen Teil des Marktes. Sie betrieben Handelskontore für den Verkauf von Erdnüssen und fungierten als Zwischenhändler*innen für Erdnussimporteure, hauptsächlich koloniale Großunternehmen, die Erdnüsse importierten, um sie zu Öl zu verarbeiten.

Im Laufe der Zeit änderten sich die Konsumgewohnheiten weltweit und Erdnüsse dienten nun bevorzugt als Nahrungsmittel und nicht mehr als Ölsaaten. Der Ölkonsum diversifizierte sich, und Verbraucher*innen in aller Welt stiegen von Erdnussöl auf Soja-, Palm- und Sonnenblumenöl um. Dies führte zu einem Überschuss an rohen Nüssen auf dem senegalesischen Markt, was die Regierung dazu veranlasste, die Exportbeschränkungen aufzuheben, die bis dahin den heimischen Markt geschützt hatten. In Folge dieser Verschiebung der weltweiten Nachfrage konzentrierte sich die Erdnussproduktion nun auf ganze Nüsse und nicht länger auf verarbeitete Produkte.

Das führte zu einem enormen Überschuss des Rohprodukts auf senegalesischen Märkten, weshalb die Regierung im Jahr 2010 eine weitere Lockerung der Ausfuhrbeschränkungen für Erdnüsse beschloss, wobei eine Mindestmenge für die Aussaat im Land verbleiben muss (décret n°2010-15 du 13 janvier 2010).

Verarbeitung im Inland vs. Exporte

Die faktische Aufhebung der Ausfuhrbeschränkungen führte zu höheren Preisen für senegalesische Landwirt*innen, wirkte sich aber auch negativ auf die verarbeitende Industrie aus. Das größte verarbeitende Unternehmen des Landes, SUNEOR, meldete Konkurs an und wurde 2016 schließlich verstaatlicht, um Arbeitsplätze zu sichern. Der Betrieb wird als staatliche Société nationale de commercialisation des oléagineux du Sénégal (SONACOS) weitergeführt.

SONACOS versorgt Landwirt*innen mit Saatgut, landwirtschaftlichen Geräten und Düngemitteln zu subventionierten Preisen. Im Gegenzug nimmt ihnen das staatliche Unternehmen einen Teil der Erdnussproduktion ab. Das Unternehmen ist schon seit langem nicht mehr rentabel, und die Probleme häufen sich. In der Saison 2022–2023 hatte SONACOS Schwierigkeiten, die anvisierten Einkaufsmengen zu erreichen.

Tatsächlich ist die senegalesische Regierung, die heimischen Landwirt*innen 275 CFA-Francs pro Kilo (0,44 USD) als Mindestabnahmepreis für ihre Produkte bietet, von chinesischen Käufer*innen überboten worden, die zwischen 350 und 450 CFA-Francs pro Kilo (0,56 bis 0,73 USD) zahlen. Ein solches Preisgefälle bedroht das für den senegalesischen Markt und die lokale Industrie verfügbare Angebot an Erdnüssen. Dies wiederum dürfte zu einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit in diesem Sektor führen, der vor allem die ohnehin bereits stark gefährdeten Saisonarbeiter*innen und Kleinhändler*innen treffen würde.

Die steigende Nachfrage Chinas nach Nüssen und ihre vielschichtigen Auswirkungen

Die Liberalisierung des Erdnusshandels im Senegal im Jahr 2010, die den staatlichen Monopolen auf dem Großhandelsmarkt effektiv ein Ende setzte, führte zu einem erheblichen Anstieg der Ausfuhr ganzer Nüsse nach China. Gleichzeitig behinderten die von der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten verhängten Handelsschranken und Pflanzenschutzmaßnahmen senegalesische Exporte in beide Regionen.

In dieser Situation konnte die chinesische Nachfrage den Rückgang der Exporte nach Europa und in die Vereinigten Staaten ausgleichen. Senegalesische Landwirt*innen konnten ihr Einkommen halten oder sogar steigern. 2020 stieg Peking mit einem Gesamtwert von 198 Mio. USD zum größten Importeur senegalesischer Erdnüsse auf. Damit gehen mehr als 90% der senegalesischen Erdnussexporte nach China.

Allerdings hat Chinas Heißhunger auf Erdnüsse das Angebot auf den lokalen Märkten und in der erdnussverarbeitenden Industrie im Senegal verringert und damit die für den Verkauf und die Produktion im Senegal vorgesehenen Erdnussmengen begrenzt, was zeitweise zu einem starken Preisanstieg für lokale Verbraucher*innen führte.

Auch die weiterverarbeitende Industrie sieht sich mit schnell steigenden Preisen konfrontiert, was wiederum zu einem Rückgang des lokalen Verbrauchs führen dürfte.

Unzureichende Maßnahmen der Zentralregierung

Obgleich Landwirt*innen in Senegals ländlichen Gebieten ihr Einkommen dank der Erdnussexporte nach China steigern konnten, birgt diese Situation im Inland gleichzeitig Gefahren für lebensmittelverarbeitende Betriebe und Verbraucher*innen. Um die künftige Produktion und eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung zu sichern, ist ein Eingreifen der Regierung erforderlich.

Bislang profitieren chinesische Käufer*innen weiterhin vom exportfreundlichen Kurs der senegalesischen Regierung, schließlich stellt Pekings Nachfrage nach Erdnüssen eine wichtige Einnahmequelle dar. Doch dürften auch andere Abhängigkeiten das Vorgehen der Regierung beeinflussen. Nach den Impfstofflieferungen im Zuge der weltweiten Corona-Pandemie waren Ausfuhrbeschränkungen für Erdnüsse schwer zu rechtfertigen. Die Tatsache, dass der Senegal zu den ersten afrikanischen Unterzeichnern der chinesischen „Belt and Road“-Initiative gehörte, kann als weiterer Faktor angesehen werden, der die Regierung davon abhält, einen protektionistischen Ansatz zu verfolgen. Schließlich sind Steuereinnahmen in Höhe von 8 bis 9 Mrd. CFA-Francs (14 bis 16 Mio. USD) ein nicht zu vernachlässigender Grund für die Regierung, von Handelsbeschränkungen für Erdnüsse abzusehen.

In begrenztem Umfang hat die Regierung jedoch mit Ausfuhrkontrollen und der vorrübergehenden Aussetzung des Exports von Erdnusssamen auf einige dieser negativen Auswirkungen reagiert. 2017 führte die Regierung eine Exit-Tax-Regelung für den Export unverarbeiteter Erdnüsse ein. 2020 setzte sie die Ausfuhr von Saatgut bis auf Weiteres aus und hob das Verbot erst 2021 wieder auf.

Angesichts der Bedeutung dieser Exporte für die senegalesische Wirtschaft und der finanziellen Vorteile für Millionen von Menschen in ländlichen Gebieten reicht ein vorübergehendes Aussetzen der Exporte als politische Maßnahme jedoch nicht aus, um nachhaltig Ernährungssicherheit und langfristig eine ausreichende Versorgung der lokalen Märkte und Ölproduzent*innen sicherzustellen.

Subventionen für Saatgut, Düngemittel und Investitionen greifen zu kurz. Die Regierung sollte auch weitere Maßnahmen in Betracht ziehen. So könnte sie etwa Preise regulieren, um schädlicher Spekulation entgegenzuwirken, die Menge der von Landwirt*innen für den Export verkauften Erdnüsse deckeln und Quoten für den nationalen Verbrauch einführen.

Will die Regierung den Exportbedarf regulieren oder begrenzen, muss sie den Landwirt*innen höhere Preise anbieten und sicherstellen, dass sie zeitnah bezahlt werden. Aktuell müssen Landwirt*innen oft mehrere Wochen oder Monate warten, bis sie ihren Lohn von inländischen Partnern erhalten; verkaufen sie an chinesische Käufer*innen, ist ihnen eine sofortige Zahlung sicher. Tritt die senegalesische Regierung als glaubwürdiger und attraktiver Käufer auf, kann sie den Unmut auf Seiten von Landwirt*innen, Erzeuger*innen und der verarbeitenden Industrie besänftigen und Vertrauen wiederherstellen.

Doch auch protektionistische Maßnahmen allein reichen nicht aus. Der Senegal muss stärker in die erdnussverarbeitende Industrie investieren, um die Produktivität zu steigern und zukunftssichere Arbeitsplätze in diesem Sektor zu schaffen. Die Weltbank hat beispielsweise eine geringfügige Exportsteuer auf rohe Nüsse vorgeschlagen, die zweckgebunden in die Modernisierung der inländischen Lieferketten und der verarbeitenden Industrie reinvestiert werden sollte.

Die senegalesische Regierung muss die erdnussverarbeitende Industrie über ihre Finanzinstitutionen (z.B. die Landwirtschaftsbank) und die Landwirtschaftsbehörden (z.B. SONACOS) mit Krediten unterstützen, damit sie die für ihre Produktion benötigten Vorräte kaufen und vorhalten kann. Sie sollte darüber hinaus die Schwankungen auf dem globalen Erdnussmarkt auffangen können. Die Förderung der einheimischen erdnussverarbeitenden Industrie kann einen Mehrwert für den Export von (rohen) Erdnüssen und eine Exportdiversifizierung schaffen.

Obgleich der Senegal gut aufgestellt ist, um von den steigenden Weltmarktpreisen für Erdnüsse zu profitieren, muss das Land Maßnahmen ergreifen, die den Senegal in den Weltmarkt integrieren, ohne die lokale Produktion und den lokalen Verbrauch zu gefährden.