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  • Julian Bergmann

25 Jahre Partnerschaft zwischen Afrika und Europa: Engere Zusammenarbeit in Frieden und Sicherheit

Megatrends Spotlight 49, 11.11.2025

Beim siebten AU-EU-Gipfel sollte der Fokus im Themenfeld Frieden und Sicherheit auf Krisenprävention und Mediation, Cybersicherheit, Schutz kritischer Infrastrukturen und den Aufbau von Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaften liegen, schreibt Julian Bergmann.

Am 24. und 25. November kommen afrikanische und europäische Staats- und Regierungschefs in Luanda, Angola zu ihrem siebten gemeinsamen Gipfel zusammen. Neben Fragen der wirtschaftlichen Kooperation und ihrer Handelsbeziehungen, Migration und Multilateralismus wird auch das Thema Frieden und Sicherheit ein wichtiger Gegenstand der Gespräche sein. Statt allgemeiner Bekenntnisse zur Bedeutung ihrer Partnerschaft in diesem Bereich sollten die Afrikanische Union (AU) und die Europäische Union (EU) konkrete Maßnahmen zur Vertiefung ihrer Zusammenarbeit in der zivilen Krisenprävention und Friedensmediation, beim Schutz kritischer Infrastrukturen und im Bereich der sicherheits- und verteidigungspolitischen Kooperation einleiten.

Kooperation in Frieden und Sicherheit: Vom Erfolgsmodell zur Bewährungsprobe

Die Zusammenarbeit im Bereich Frieden und Sicherheit bildet seit jeher eine der zentralen Säulen der AU-EU-Beziehungen und wird häufig als eines der Kooperationsfelder angeführt, in dem sich eine gute und verlässliche Partnerschaft entwickelt hat. Im Rahmen der Afrikanischen Friedensfazilität (APF) stellte die EU von 2004 bis 2021 rund drei Milliarden Euro für afrikanische Friedensmissionen, institutionellen Kapazitätsaufbau sowie für kurzfristige Krisenprävention und Friedensmediation bereit. Diese langjährige Unterstützung dürfte mit ein Grund dafür sein, dass die Beratungen zu diesem Thema auf dem letzten Gipfel im Februar 2022 wenig konfliktbehaftet waren. Folglich bekräftigten die Vereinbarungen zu Frieden und Sicherheit im Abschlusskommuniqué des Gipfels vor allem bereits existierende thematische Schwerpunkte der Zusammenarbeit. Im Wesentlichen sind dies die finanzielle EU-Unterstützung für afrikanisch-geführte Friedensoperationen, die Zusammenarbeit bei militärischer Ertüchtigung und Kapazitätsaufbau sowie ein allgemeines Bekenntnis zur zivilen Krisenprävention.

Seit dem letzten Gipfel haben sich die Vorzeichen für die AU-EU-Zusammenarbeit zu Frieden und Sicherheit jedoch spürbar verändert. In den letzten Jahren ist die Zahl bewaffneter Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent weiter gestiegen - insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen nichtstaatlichen Gewaltakteuren wie Milizen und Rebellengruppen nahmen 2024 sprunghaft zu. Zudem ist auch ein Anstieg jihadistischer Gewalt, insbesondere in der Sahelregion, zu verzeichnen. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat zu einer völlig veränderten Sicherheits- und Bedrohungslage in Europa geführt. Im Kontext der „Zeitenwende“ richtet sich das Augenmerk vieler europäischer Regierungen zunehmend primär auf Landes- und Bündnisverteidigung in Europa. In afrikanischen Ländern ist der Krieg vor allem durch Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und durch wirtschaftliche Folgen spürbar, er hat aber darüber hinaus in einigen Staaten zu hitzigen Debatten geführt, wie man sich im neuen geopolitischen Wettbewerb positionieren sollte. 

Krise der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA)

Parallel zu diesen Trends im Konfliktgeschehen lässt sich seit einigen Jahren eine Krise der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA) beobachten. Diese umfasst die AU sowie acht afrikanische Regionalorganisationen und stellt spezifische Institutionen wie das Beratungsgremium Panel of the Wise, das kontinentale Frühwarnsystem CEWS, die African Standby Force oder den AU Peace Fund bereit. In Bezug auf afrikanisch geführte Friedensoperationen ist in jüngerer Zeit jedoch ein Trend weg von den etablierten APSA-Strukturen hin zu ad hoc und unilateral geführten Einsätzen zu beobachten – etwa bei der militärischen Intervention Ruandas in Mozambiks Cabo Delgado Region oder der Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur Bekämpfung von Boko Haram in der Tschadseeregion. Gleichzeitig bleibt die Finanzierung AU-geführter Friedenseinsätze prekär. So ist etwa die Zukunft der AMISOM-Nachfolgemission AUSSOM in Somalia nicht gesichert. Ein Grund dafür liegt in der ausbleibenden Umsetzung von VN-Sicherheitsratsresolution 2719 zur Nutzung von VN-Mitteln für afrikanische Friedenseinsätze, deren Anwendung auf Somalia von der US-Administration derzeit blockiert wird.

Auch im Bereich der Friedensmediation ist es der AU in aktuellen Konflikten wie im Sudan, Libyen oder der Demokratischen Republik Kongo nicht gelungen, sich als federführende Vermittlerin zu etablieren und zu stabilen Friedensprozessen beizutragen. Tatsächlich konnte die AU nicht mehr als eine Nebenrolle in den verschiedenen Friedensbemühungen in diesen Konflikten spielen.

Die EU-Unterstützung von ad hoc-Koalitionen wie der G5 Sahel und MNJTF sowie die verstärkte Zusammenarbeit mit einzelnen afrikanischen Staaten im Bereich des Kapazitätsaufbaus von Streitkräften hat ebenso zu einer Schwächung der APSA beigetragen. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und dem abrupten Ende von MINUSMA und EUTM Mali hat sich die politische Aufmerksamkeit in vielen europäischen Hauptstädten von afrikanischen Krisen, wie in der Sahelregion, auf die östliche Nachbarschaft verlagert. 

Welche Botschaften der EU-AU-Gipfel senden sollte

Diese Entwicklungen werfen grundlegende Fragen nach der strategischen Kohärenz und Prioritätensetzung des europäischen Engagements für Frieden und Sicherheit in Afrika auf – insbesondere hinsichtlich der zukünftigen Ressourcenausstattung und der politischen Unterstützung afrikanischer Friedensinitiativen. Daher sollten vom Gipfel zwei klare Botschaften mit Blick auf die Zusammenarbeit im Bereich Frieden und Sicherheit ausgehen.

Erstens: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten bleiben weiterhin stark für Frieden und Sicherheit in Afrika engagiert und sind bereit, afrikanischen Partnern konkrete Angebote zu machen und die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Dies zu betonen ist nicht banal, denn seit Russlands Krieg gegen die Ukraine ist bei vielen afrikanischen Partnern der Eindruck entstanden, dass sich Europa nun als sicherheits- und friedenspolitischer Akteur von Afrika abwenden und allein auf die Abwehr der Bedrohung Europas durch Russland konzentrieren werde. Hier gilt es, ein glaubwürdiges Gegennarrativ zu setzen, dass die Verlässlichkeit der EU als Friedens- und Sicherheitspartner Afrikas betont.

Zweitens: die Unterstützung der Rolle und der Fähigkeiten der Afrikanischen Union bleibt im Zentrum des EU-Engagements für Frieden und Sicherheit in Afrika. Die Stärkung der Zusammenarbeit mit der Regionalorganisation ist wichtig, um die Rolle der AU als zentraler Akteur für Krisenprävention und Friedenssicherung auf dem Kontinent zu stützen. Gerade in Zeiten, in denen die Zerfaserung der afrikanischen Institutionenlandschaft diese zunehmend in Frage stellt. 

Neben diesen wichtigen politischen Botschaften könnten AU und EU vor allem in drei Bereichen konkrete Impulse für eine Vertiefung der Zusammenarbeit setzen.

Engere Zusammenarbeit durch gemeinsame zivile Krisenprävention und Friedensmediation

Erstens sollte das Gipfelkommuniqué konkrete Maßnahmen zum Ausbau der Zusammenarbeit in der zivilen Krisenprävention und internationalen Friedensmediation enthalten. Dies ist ein Bereich der Zusammenarbeit, in dem beide Partner in den letzten Jahren vielfältige Erfahrungen gesammelt haben. Gleichzeitig stehen AU und EU vor der Herausforderung, angesichts geopolitischer Spannungen und der zunehmenden Einmischung externer Akteure – sowohl in Konflikte als auch in Friedensprozesse – weiterhin wirksam als Regionalorganisationen zu Friedensbemühungen beitragen zu können. Eine Stärkung der Zusammenarbeit, die auch ein gemeinsames Lernen voneinander ermöglicht, könnte zum Beispiel durch die Einrichtung eines stehenden Konsultationsmechanismus zu Friedensmediation erreicht werden, in dessen Rahmen man sich zu bestimmten Konflikten wie in Sudan, Mali oder Ukraine austauscht und gemeinsame Strategien entwickelt. Solch ein Mechanismus würde den 2023 etablierten, jährlich stattfindenden Strukturierten Dialog zu Präventiver Diplomatie und Mediation zwischen den beiden Organisationen um ein operatives Element ergänzen. Auch die gegenseitige Entsendung von Verbindungsbeamt*innen in die jeweilige Mediationsteams von AU und EU könnte die Zusammenarbeit zu konkreten Krisen und Konflikten unterstützen.

Engere Zusammenarbeit durch Cybersicherheit und dem Schutz kritischer Infrastrukturen

Ein zweiter Ansatzpunkt für die Vertiefung der Zusammenarbeit ist der Bereich Cybersicherheit und Resilienzförderung zur Abwehr hybrider Bedrohungen, insbesondere in Bezug auf den Schutz kritischer Infrastrukturen. Im Rahmen von EU-Programmen wie Cyber4Dev und „Safe Digital Boost Africa“ besteht bereits eine Zusammenarbeit zum Aufbau von Cybersecurity-Fähigkeiten afrikanischer Regionalorganisationen und ihrer Mitgliedstaaten. Intensiviert werden könnte die Zusammenarbeit zum Schutz kritischer Infrastrukturen vor allem im Zusammenhang mit laufenden und geplanten Global Gateway Flaggschiffprojekten. Denn Investitionen in den Bau kritischer Infrastrukturen wie Stromtrassen, Transportwege oder Datennetze sind nur dann nachhaltig, wenn diese Infrastrukturen vor hybriden Bedrohungen geschützt werden können.

Engere Zusammenarbeit durch Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaften

Schließlich könnte auf dem AU-EU Gipfel die Vertiefung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit der EU mit einzelnen afrikanischen Staaten vorangetrieben werden. Über die Europäische Friedensfazilität hat die EU seit 2021 16 Unterstützungsmaßnahmen für 14 afrikanische Partnerarmeen durchgeführt und damit den Ausbau militärischer Fähigkeiten einzelner Staaten unterstützt. Solche Maßnahmen können grundsätzlich ein Beitrag zu Frieden und Sicherheit sein, sollten aber in politische Partnerschaften eingebettet sein und so gestaltet werden, dass sie insbesondere jene militärischen Fähigkeiten (z.B. Lufttransport, taktische Aufklärung) unterstützen, die afrikanische Staaten in AU-geführte Friedenseinsätze einbringen könnten. Letzteres würde auch einen Beitrag dazu leisten, dass die stärkere Diversifizierung von Partnerschaften gleichzeitig zur Stärkung der Fähigkeiten der AU im Bereich Frieden und Sicherheit beiträgt.

Ein mögliches Instrument zur Stärkung bilateraler Zusammenarbeit könnten die sogenannten Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaften sein, welche die EU mit dem Strategischen Kompass in 2022 ins Leben gerufen hat. Bisher existieren acht solcher privilegierter Partnerschaften mit westlichen Verbündeten, jedoch nicht mit afrikanischen Staaten. Die EU könnte auf dem Gipfel das konkrete Angebot machen, solche Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaften auch mit afrikanischen Staaten einzugehen und damit die sicherheitspolitische Kooperation mit ihnen auf eine neue Stufe zu stellen. Mögliche Kandidaten für solche privilegierten Partnerschaften könnten Südafrika, Ghana oder Kenia sein, mit denen schon sogenannte Sicherheits- und verteidigungspolitische Dialoge bestehen.

Angesichts der immensen Herausforderungen für Frieden und Sicherheit in Afrika und Europa sollten Afrikanische und Europäische Union die Chance nicht verstreichen lassen, ihre Zusammenarbeit jenseits allgemeiner Bekenntnisse durch konkrete Beschlüsse und Weichenstellungen für die Zukunft zu vertiefen.

PD Dr. habil. Julian Bergmann ist Senior Researcher am German Institute of Development and Sustainability (IDOS). Er hat zahlreiche wissenschaftliche Beiträge zur EU-Außen- und Entwicklungspolitik sowie zur Afrika-EU-Kooperation im Bereich Frieden und Sicherheit veröffentlicht.