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DR Kongo, 2021: Goldgräber*innen bei der Arbeit in der ostkongolesischen Bergbaustadt Kamituga.

DR Kongo, 2021: Goldgräber*innen bei der Arbeit in der ostkongolesischen Bergbaustadt Kamituga.

Eine nachhaltige Rohstoffaußenpolitik gegenüber Afrika

Blog Joint Futures 38, 18.01.2024

Meike Schulze und Melanie Müller argumentieren in diesem Joint Futures Beitrag, dass die Bundesregierung eine nachhaltige Rohstoffaußenpolitik gegenüber Afrika gestalten sollte, die das Ziel hat, langfristige industrielle Partnerschaften aufzubauen.

 

Die zunehmende US-chinesische Rivalität sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben internationale Handelsbeziehungen stark politisiert. Daher verfolgen Deutschland und die Europäische Union (EU) derzeit entschlossen das Ziel, die eigene wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zu stärken. Dafür wird unter anderem die Diversifizierung von Handelsbeziehung vorangetrieben, um hohe Abhängigkeiten von kritischen Partnern zu reduzieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei mineralischen Rohstoffen, deren Bedarf für die grüne und digitale Transformation hoch ist. Als wichtigster globaler Anbieter vieler Rohstoffe, Raffinade- und Zwischenprodukte dominiert China diese Lieferketten.

Die nachhaltige Sicherung des deutschen Rohstoffbedarfs stellt eine Herausforderung dar und sollte deshalb ein Schwerpunkt der deutschen Afrikapolitik sein. Denn Vorkommen mineralischer Rohstoffe in afrikanischen Ländern sind von besonderem strategischem Interesse – nicht nur für die Bundesrepublik. In einem Umfeld geopolitischer Konkurrenz und steigender Nachfrage können und werden mineralreiche afrikanische Länder ihre Partner sorgfältig auswählen, und dabei wirtschaftliche Überlegungen sowie industrielle Entwicklungspotentiale in den Vordergrund stellen. Die Bundesregierung sollte daher eine strategische Rohstoffaußenpolitik entwickeln, die darauf abzielt, langfristige industrielle Partnerschaften aufzubauen.

Dies erfordert eine deutliche Intensivierung des deutschen und europäischen Engagements in afrikanischen Rohstoffsektoren, auch weil erhebliche Risken im Hinblick auf Umwelt- und Menschenrechte adressiert werden müssen. Umfassende Standardsetzung und eine effektive Rohstoffgovernance liegen häufig auch im Interesse afrikanischer Partnerländer, weil Anforderungen von Investoren und anderen gesellschaftlichen Akteuren steigen und dies damit eine Voraussetzung für die Realisierung industrieller Strategien ist. Möchten die Bundesregierung und die EU als attraktive Partner auftreten, bedarf es jedoch stärkerer Dialog- und Verhandlungsbereitschaft seitens Europas, konkrete Zusagen für die Umsetzung von Projekten sowie Unterstützung bei der Standardumsetzung.

Interessensbasierte Rohstoffaußenpolitik: Attraktive Kooperationsangebote kreieren

In einem zunehmend konfliktiven internationalen Umfeld gewinnt die Rohstoffpolitik verstärkt an außenpolitischer Bedeutung. Dabei öffnet sich ein „window of opportunity“ für eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen den Kontinenten: Während Deutschland und die EU ihre Rohstoffversorgung sichern wollen, streben mineralreiche afrikanische Länder danach, ihre Rohstoffvorkommen strategisch zu nutzen und neue, gewinnbringende Kooperationen zu etablieren.

Die Bundesregierung muss hierfür attraktive Kooperationsangebote unterbreiten. Denn für viele afrikanische Staaten hat der Export unverarbeiteter Rohstoffe bisher nicht zur gewünschten Erhöhung von Wohlstand geführt. Daher versuchen sie, bei Verhandlungen internationaler Handels- und Kooperationsabkommen finanzielle und technische Unterstützung für den Aufbau lokaler Industrien sowie die dafür notwendige Energie- und Transportinfrastruktur zu sichern. Ziel ist es, sich in globale Wertschöpfungsketten zu integrieren und Potentiale für die Erhöhung von Wertschöpfung zu nutzen. Insbesondere Länder mit kritischen Rohstoffvorkommen sind sich ihrer strategischen Position bewusst. So beispielsweise die Demokratische Republik Kongo (DRC) mit den weltweit größten Kobaltreserven – ein zentraler Rohstoff für die Batterieproduktion.

Einige Länder haben handelsprotektionistische Maßnahmen verstärkt. Beispiele hierfür sind das Exportverbot von unverarbeitetem Kobalt in der DRC oder Lithium in Namibia und Simbabwe. So sollen industriepolitische Strategien zunächst weiterentwickelt und Projekte im Rohstoffsektor, beziehungsweise an diesen anknüpfend, umgesetzt werden. Die Afrikanische Union (AU) ist auf kontinentaler Ebene ebenfalls stärker aktiv und entwickelt aktuell die African Green Mineral Strategy. Das Ziel ist es, Potentiale für die Inwertsetzung des Bergbausektors afrikanischer Länder zu heben, sowie den Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten zu unterstützen.

Afrikanische Länder navigieren das bestehende geopolitische Umfeld zunehmend strategisch, um Kooperationspartner und Finanziers für ihre Ambitionen zu gewinnen. Die chinesische Regierung sagte während des BRICS-Summit im Oktober 2023 zu, ihre Unterstützung für Afrikas Industrialisierungsvorhaben zu erhöhen. Auch die Vereinigten Staaten sind in afrikanischen Rohstoffsektoren aktiver geworden, um unabhängiger von chinesischen Importen zu werden. Ende 2022 sagte die US-Regierung beispielsweise ihre Unterstützung für den Aufbau eines regionalen Batterieclusters in Sambia und der DRC zu, das die amerikanische Industrie unmittelbar beliefern soll.

In Anbetracht des eigenen strategischen Interesses gerät die deutsche Bundesregierung immer stärker unter Zugzwang. Tatsächlich sollte sie ihr Partnerschaftsangebot gegenüber rohstoffreichen afrikanischen Ländern nachschärfen. Dies erfordert nicht nur aktive diplomatische Bemühungen, sondern auch die Stärkung des außenwirtschaftlichen Auftretens Deutschlands. Für ein wirkungsvolles deutsches Auftreten ist es entscheidend, nicht ausschließlich die eigenen wirtschaftspolitischen Interessen zu fokussieren, sondern auch die lokalen und regionalen Strategien der afrikanischen Partner zu beachten. Darüber hinaus trägt die Bereitschaft zu langfristigen Zusagen für gemeinsame industrielle Projekte dazu bei, die Attraktivität deutscher Angebote zu erhöhen.

Für diese Art der Kooperation ist es entscheidend, konkrete Geschäftsfälle zu identifizieren und deutsche Unternehmen für aktive Beteiligungen zu gewinnen. Wegweisend wäre eine stärkere vertikale Integration deutscher Leitfirmen sowie die Planung gemeinsamer industrieller Cluster, beispielsweise im Rahmen der Batterieproduktion oder grünen Wasserstoffs – wie im kürzlich angestoßenen Projekt in Namibia. Ein überzeugender Faktor für deutsche Partnerländer könnten die Aussicht auf neue Arbeitsplätze und Technologietransfer sein, was langfristig Potentiale für staatliche Einnahmen und wirtschaftliche Entwicklung bietet.

Nachhaltigkeitsstandards mit außenpolitischer Wirkung

Auch umwelt- und menschenrechtliche Standards in Lieferketten spielen für die deutsche Außenpolitik und den Aufbau industrieller Partnerschaften eine zunehmende Rolle. Deutschland und die EU setzten in den vergangenen Jahren eine Reihe von Regulierungen um. Hierzu gehören sowohl das bereits verabschiedete deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) als auch das geplante europäische Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (CSDDD). Hinzu kommen klimabezogene Gesetze, wie der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). All diese Regelungen betreffen sowohl den Rohstoffsektor als auch daran gekoppelte Produktionsprozesse in afrikanischen Ländern direkt.

Allerdings stoßen Gesetze mit extraterritorialer Wirkung teilweise auf Widerstand bei afrikanischen Regierungs- und Wirtschaftsvertreter*innen, die sie als Ausdruck eines europäischen Protektionismus bewerten und im Konflikt mit ihren eigenen Industrialisierungsambitionen sehen. Sie lehnen die Etablierung von Standards dabei nicht kategorisch ab. Tatsächlich bestehen vielerorts ambitionierte Ziele, um Investoren gerecht zu werden und somit die Grundlage zur Steigerung lokaler Wertschöpfung zu schaffen. In etablierten Bergbauländern wie Südafrika oder Sambia besteht beispielsweise bereits eine umfassende Nachhaltigkeitsgesetzgebung. Herausforderungen liegen eher bei deren Implementierung. Hinzu kommt in vielen Ländern gesellschaftlicher Druck. Denn immer mehr vom Bergbau betroffene Gemeinden fordern von Bergbauunternehmen eine „social license to operate“ ein: Bergbauprojekte müssen im Einklang mit lokalen Interessen stehen.

Auf diplomatischer Ebene gilt es, Dialog- und Aushandlungsprozesse zu stärken, um die Perspektiven produzierender Länder besser einzubeziehen und Herausforderungen bei der Um- und Durchsetzung von Standards frühzeitig begegnen zu können. Nur so können Deutschland und die EU die Bedenken afrikanischer Länder bezüglich steigender Hürden für die Integration in europäische Lieferketten ernst nehmen und diesen angemessen begegnen. Rohstoffkooperationen müssen dafür umfassend ausgestaltet, und durch kontextsensible begleitende Maßnahmen, wie die Unterstützung emissionsarmer Energieerzeugung oder die Einrichtung menschenrechtlicher Ombudsstellen, gestärkt werden.

Ausblick & Politikempfehlungen

Auf dem afrikanischen Kontinent findet die Bundesregierung geeignete neue Rohstoffpartner. Um erfolgreich zusammenzuarbeiten, sollte sie eine interessenbasierte Rohstoffaußenpolitik verfolgen, die sowohl die deutschen Zielsetzungen der Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit als auch afrikanische industriepolitische Ambitionen und den Wunsch nach lokaler Wertschöpfung berücksichtigt.

Dafür sollte die Bundesregierung, erstens, in mineralreichen afrikanischen Staaten präsenter auftreten, durch regelmäßige Austausche zum Rohstoffsektor auf Arbeitsebene und die Stärkung deutscher Institutionen vor Ort. Austauschformate sollten darauf abzielen, gemeinsame Projekte auszumachen und deren Umsetzung voranzubringen. Mit solch einer Strategie geht zweitens eine Schwerpunktverschiebung des deutschen Engagements im Rohstoffsektor einher: der Fokus sollte sich von der Entwicklungszusammenarbeit auf Formen der Kooperation verlagern, die sich auf die Umsetzung wirtschaftlicher und industrieller Projekte konzentriert. Für eine erfolgreiche Implementierung muss die Rolle der Außenwirtschaftsförderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) gestärkt werden, um deutsche privatwirtschaftliche Akteure für langfristige Investitionen und Zusammenarbeit in Projekten zu gewinnen. Eine solche Strategie muss auch weiterhin engmaschig entwicklungspolitisch begleitet werden, insbesondere im Bereich der Standardsetzung und -umsetzung.

Die Bedeutung der EU in der Rohstoffpolitik wächst. Nicht nur werden Nachhaltigkeitsstandards in Lieferketten auf EU-Ebene gemeinsam verhandelt. Auch die Europäische Kommission setzt sich ambitioniert dafür ein, die Resilienz mineralischer Lieferketten zu stärken. Dabei dient der derzeit verhandelte Critical Raw Materials Act (CRMA) dazu, eine europäische Strategie zu verstetigen. Die Bundesregierung sollte sich jedoch auch über die eigene Rohstoffsicherung hinaus zu gemeinsamen Vorhaben verpflichten, da sie die Diversifizierung im Rohstoffsektor kaum eigenständig bewerkstelligen kann. Über den Weg europäischer Kooperation kann die Bundesregierung afrikanischen Partnern attraktive Angebote machen, die im starken geopolitischen Wettbewerb konkurrenzfähig sind.

Dr. Melanie Müller leitet das Projekt „Forschungsnetzwerk Nachhaltige Globale Lieferketten“ und ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Meike Schulze ist Gastwissenschaftlerin im Projekt „Forschungsnetzwerk Nachhaltige Globale Lieferketten“ an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Die Verantwortung für die in den Beiträgen und Interviews vorgetragenen Inhalte, Meinungen und Quellen liegt bei den jeweiligen Autor*innen.